Johnnie Burn über seine Arbeit mit Nuendo in den Wave Studios

Von Luis Dongo

Johnnie Burn ist Gründer und leitender Sound-Designer der Wave Studios. Das Unternehmen hat sich auf sämtliche Bereiche der Sound-Produktion für Spielfilme und TV-Werbung spezialisiert. Die Wave Studios haben bereits an unzähligen legendären Werbespots und Filmen mitgewirkt, darunter Jordan Peeles "Nope" und der in Cannes preisgekrönten Film "Zone of Interest". Mit 35 Installationen im weltweiten Netzwerk des Unternehmens, ist Nuendo das Kreativ-Tool der Wahl für die Wave Studios und wird von Atmos-Mixing bis hin zur Netzwerk-Kollaboration eingesetzt.

Wie habt ihr mit Nuendo angefangen?

Wave Studios wurde ursprünglich gegründet, um Werbespots zu machen und unser erster Auftrag war ein ziemlich bekannter Werbespot für Guinness. Durch diese Arbeit lernten wir viele unserer Kunden kennen, darunter auch Jonathan Glazer, einen Filmregisseur. Ungefähr drei Jahre nach unserer Eröffnung sagte er zu mir: "Du musst alles lernen, was man über die Arbeit an Spielfilmen wissen muss, denn ich habe einen Film in Planung, den du machen wirst". Zu dieser Zeit arbeiteten wir mit Fairlight-Systemen und ich dachte, dass 48 Spuren für einen Film wahrscheinlich nicht ausreichen würden. So stieß ich auf Nuendo – ich glaube, es war die Version 2.0 ­– und wir begannen, damit für unsere Langformate zu produzieren.

Was hat dich als Erstes am Workflow von Nuendo überzeugt?

Nuendo ist einfach besser für die Arbeit mit langen Formaten geeignet, und die enorm hohe Anzahl an Spuren ist fantastisch. Über einen Zeitraum von ein paar Jahren haben wir das alte System abgeschafft und Nuendo in allen Niederlassungen weltweit eingeführt. Das hat sich als großer Vorteil erwiesen, denn so können wir heute unsere Workflows gemeinsam nutzen, wobei jeder seine eigenen Presets haben kann, beispielsweise eigene Hall-Presets und Templates, je nachdem, wie er oder sie arbeiten möchte. Das ist für uns wirklich eine elegante Lösung.

Wie schafft ihr es, mehrere Standorte auf der ganzen Welt zu betreiben?

Uns gibt es seit 23 Jahren und wir haben acht Studios in London, drei in Amsterdam und drei plus einen Dolby-Atmos-Raum in New York, die alle sehr erfolgreich mit Nuendo arbeiten. Wir haben Edit-Räume hier in London und eine Menge Leute, die remote arbeiten. Die Veränderungen in unserer Arbeitsweise in den letzten Jahren haben dazu geführt, dass wir es uns leisten können, ein größeres Team zu haben, das an mehr Projekten arbeitet, aber mit der gleichen Anzahl von Studios. Dies ist möglich, weil unsere redaktionelle Arbeit jetzt hauptsächlich von Leuten erledigt wird, die von zuhause arbeiten. Alles läuft über ein lokales Netzwerk, das wir uns hier mit New York und Amsterdam teilen. So können wir alle auf die Projekte der anderen Teammitglieder zugreifen, wann immer wir wollen.

Und die Basis dafür ist Nuendo. Wie hilft es dir, deinen Arbeitsablauf zu erleichtern?

Es bietet alles, was man braucht, in einer einzigen Software. Es kann gut sein, dass jemand in New York am Morgen ADR für einen Film aufnimmt, an dem wir gerade arbeiten, und am Nachmittag schneiden wir ihn hier und sehen ihn uns mit dem Regisseur an. Bild und Ton laufen alle über das gleiche Netzwerk. Wir haben einen zentralen Server für alle unsere Soundeffekte, von denen wir Millionen haben. Jedes Mal, wenn wir einen Film drehen, wird neuer Content zu MediaBay hinzugefügt, inklusive aller Metadaten. Wenn man also zum Beispiel "Holzschuh auf Holzboden" oder was auch immer sucht, ist das ganz einfach zu finden.

Die MediaBay ist also essentiell für deine Arbeit?

Auf jeden Fall. Mit der MediaBay können wir jetzt so ziemlich alles, was wir benötigen, sehr schnell finden und verwalten. Ich glaube, wir haben etwa 35 Instanzen von Nuendo, die gleichzeitig laufen, verteilt auf alle Kollegen, die in der ganzen Welt verstreut arbeiten. Und alle können auf die gleiche MediaBay zugreifen. Wir erinnern uns gegenseitig daran, alle neuen Sound-Effekte, die wir für ein Projekt erstellt haben, in der MediaBay zu speichern und zu teilen. Die MediaBay ist wie alles andere in Nuendo in unsere Infrastruktur integriert, so dass wir eine Datenbank mit Soundeffekten haben, die über ein Netzwerk für alle zugänglich ist. Man kann Sounds direkt in der Timeline platzieren, einen Sync-Punkt in der Timeline setzen oder einen Abschnitt, den man braucht, herausschneiden und wieder einfügen. Es ist ein sehr mächtiges Werkzeug.

Wie sieht dein typischer Workflow bei der Postproduktion eines Films aus?

Ich spreche zunächst mit dem Regisseur über das Drehbuch und werde anschließend zum Recce und zu den Dreharbeiten eingeladen, wo ich eine Menge Soundeffekte aufnehme, um die richtige Atmosphäre für die Szenen einzufangen. Wir bekommen alle Rushes, dann schneiden wir das Bild und kümmern und danach um ADR (automated dialogue replacement), sofern das nötig ist. Nuendo ist dafür großartig, weil der gesamte Workflow integriert ist und man alles vom Bildschirm aus steuern kann. Und mit Nuendo 13 gibt es jetzt sogar eine Funktion, über die man einen Webbrowser mit den Dialogen aufrufen kann und jeder im Raum kann das Skript neu schreiben, auch der Regisseur. So muss niemand zur Sprecherkabine rennen und ein handgeschriebenes Skript abschreiben, sondern es erscheint einfach auf dem Bildschirm mit den richtigen neuen Wörtern. ADR ist ein enorm leistungsfähiger Teil des Nuendo-Workflows.

Und wie geht es weiter?

Ich versuche, alles so realistisch wie möglich zu halten und vermeide es, Sound-Effekt-Libraries zu verwenden. Ich möchte möglichst alles selbst aufnehmen und zusätzlich machen wir eine Foley-Aufnahme-Session, die weitere 200 Spuren im Nuendo-Projekt belegt. Ich stelle mir einen Mix eher wie eine Skulptur vor, also wird jedes Reel ein anderes Nuendo-Projekt sein. Und wenn jemand Foley editiert, werden auch die aktuellen Dialoge und Soundeffekte über das Netzwerk verteilt. Wir erstellen praktisch einen Pre-Mix, während wir die Effekte bearbeiten, denn ich betrachte den Mix als Teil des Sound-Design-Prozesses. Wenn ich an einem Projekt arbeite, möchte ich dem Regisseur eine möglichst fertige Idee präsentieren. Wenn ich also eine Sound-Design-Idee präsentiere, möchte ich, dass die Dialoge clean sind und die richtigen Effekte enthalten sind. Und das ist das Geniale an Nuendo, man kann den gesamten Mix in-the-box erstellen.

Welchen Anteil hat das Atmos-Mixing an eurer Arbeit?

So ziemlich jedes Projekt, das wir heute machen, beginnen wir mit einem nativen Atmos-Mix, denn ich glaube, wir befinden uns als Branche in einer Übergangsphase. Zu Beginn eines Auftrags wird gesagt: "Nein, wir brauchen kein Atmos", und am Ende des Auftrags heißt es dann doch meistens: "Warum machen wir nicht einen Atmos-Mix?". Ich glaube, das wird noch ein oder zwei Jahre so weitergehen, bevor die Leute sagen: Okay, dann machen wir es. Also arbeiten wir jetzt immer in Atmos und wir lieben Atmos Mixing, weil wir Sound-Freaks sind. Wer würde nicht gerne mit so vielen Lautsprechern arbeiten?

Ich liebe Nuendo, weil es eines der ersten Programme war, das Atmos direkt in die Softwarearchitektur integriert hat. Es ist toll, wenn eine Softwarefirma versucht, der Zeit voraus zu sein. Bei Steinberg denkt man scheinbar immer: Was kommt als Nächstes? Was müssen wir tun? Ich denke, es ist ein Unternehmen, das schnell auf Veränderungen am Markt und in der Branche reagiert.

Was gefällt dir besonders daran, an Spielfilmen zu arbeiten?

Wir erzählen Geschichten mit Sound und das kann in einem längeren Format viel interessanter sein, als wenn man TV-Werbespots macht, was eine ganz andere Herausforderung ist. Besonders viel Spaß hat mir die Arbeit an Jordan Peeles Film „Nope" gemacht, an dem ich 2022 fünf Monate lang in Los Angeles gearbeitet habe. Das ist ein brillanter Film, den wir in den Universal Studios gemischt haben. Ich habe Nuendo dorthin mitgenommen und der Film wurde komplett in-the-box gemischt, mit einem sehr komplexen Nuendo Atmos Mix. Bei diesem Film wurde wirklich viel Sound eingesetzt, um die Geschichte zu erzählen, und Nuendo hat uns enorm dabei geholfen, den Workflow zu optimieren.

Welche Tools sind für dich besonders wichtig?

Der Grund, warum ich bei Filmen am liebsten mit Nuendo arbeite, ist, dass ich den Mix gerne als Skulptur betrachte und mein Team immer den gesamten Mix im Computer parat hat, egal an welchem Teil sie gerade arbeiten. So kann ich einen Mix von Anfang bis Ende wachsen lassen und muss nicht denken: "Okay, später wird es einen Zeitpunkt geben, an dem wir uns alle treffen müssen, um den Film vollständig abzumischen. Manche Leute mögen die "Mix in the Box"-Philosophie nicht, aber wenn man sich auf die Vorzüge dieser Methode einlässt, erhält man ein viel besseres Endergebnis. Nuendo ist wie eine große Spielwiese, bei der man immer alles hat, was man brauchst. Alles, was man für einen Film benötigt, ist in Nuendo enthalten. Für mich ist das fantastisch, weil ich auf der ganzen Welt arbeite und an verschiedenen Orten sein kann. Ich habe manchmal drei verschiedene Filme gleichzeitig auf meinem Laptop. Mit Nuendo brauche ich nur ein Projekt zu öffnen, Kopfhörer aufzusetzen und schon kann sofort anfangen, Probleme mit dem Mix oder dem Sound Design zu bearbeiten. Später nehme ich dann einfach nur meinen Laptop mit in ein Hollywood-Mixing-Studio, öffne das Projekt und spiele die Atmos-Version ab. Es erstaunt die Leute oft, wenn ich sage: Hier ist der Mix, ich spiele alles auf demselben Gerät mit einer einzigen Software ab.

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