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Philharmonix

Mit Dorico die Grenzen klassischer Komposition und Orchestrierung sprengen

Von Hollin Jones

Philharmonix besteht aus sieben Weltklasse-Musikern der Wiener und Berliner Philharmoniker. Das Ensemble hat sich von den Regeln der traditionellen Kammermusik losgesagt und interpretiert bekannte Songs und Stücke vollkommen neu. Wir haben den Arrangeur und Cellisten der Berliner Philharmoniker, Stephan Koncz, interviewt, um herauszufinden, wie Dorico das alles möglich macht.

Hallo Stephan. Kannst du uns ein bisschen von deinem musikalischen Hintergrund und deiner Arbeit erzählen? Wie bist du dazu gekommen, Software für deine Tätigkeit zu nutzen?

Ich bin Cellist bei den Berliner Philharmonikern. Seit meiner Kindheit faszinieren mich musikalische Publikationen, denn ich liebe einfach den Anblick schön gedruckter Partituren von klassischen Meisterwerken. Damals gab es nur wenig Software für Musiknotation, wie etwa Encore oder Finale, später kam Sibelius dazu. Vor einigen Jahren wurde das Sibelius-Team von Steinberg übernommen und entwickelte eine neue, fortschrittliche Notationssoftware: Dorico. Ich habe den Dorico-Blog von Anfang an verfolgt, und es hat mich sehr beeindruckt, wie die hochbegabten Entwickler dieses unglaublich komplexe System aufgebaut haben.

Wie ist das Philharmonix-Ensemble zusammengesetzt?

Das Philharmonix-Ensemble besteht aus zwei Geigen, Bratsche, Cello, Kontrabass, Klavier und Klarinette. Insgesamt sind wir sieben Musiker, und es gibt zwei Hauptarrangeure – mich und Sebastian Gürtler, der Violinist und wie ich Komponist ist. Obwohl ich bei den Berliner Philharmonikern spiele und das mein Hauptberuf ist, arrangiere und komponiere ich auch viel andere Musik. Zurzeit arbeite ich an der Orchestrierung eines Werks, das bald aufgenommen wird.

Die Musik, die ihr mit dem Ensemble macht, sind Neuinterpretationen und Neugestaltungen bestehender Stücke oder Kompositionen. Welche Idee steckt hinter diesem Ansatz?

Als professionelle klassische Musiker sind wir sehr an das symphonische Repertoire gebunden – daran, Kompositionen auf eine bestimmte Weise aufzuführen. Das ist schön, aber als leidenschaftlicher Musiker möchte man sich nicht sein ganzes Leben lang auf nur eine Musikrichtung beschränken. Manchmal ist es auch das eigene Instrument, das einen einschränkt – ich bin Cellist und spiele kein anderes Instrument, also kann ich, wenn ich etwas für mich selbst umschreibe, mehr Spaß damit haben. Die Idee dahinter ist also wirklich, sich mehr kreative Freiheit zu verschaffen.

Wie gibst du als Cellist Noten in Dorico ein? Es gibt natürlich die Maus, aber auch MIDI-Tastatur und sogar Drum-Pads können zur Eingabe genutzt werden. Was funktioniert am besten für dich?

Ich nutze normalerweise einfach meine Laptop-Tastatur. Ich habe natürlich auch mal ein richtiges Keyboard für die MIDI-Eingabe ausprobiert, aber sobald es bei den Harmonien komplizierter wird – also ob es ein Gis oder ein As ist – entscheidet das Programm, wenn man es über das MIDI-Keyboard eingibt. Komplexe Musik ist für mich einfacher auf der Laptop-Tastatur einzugeben. Ich gebe meine Musik also hauptsächlich mit der Tastatur auf dem MacBook ein, nicht viel mit der Maus.

Sobald ich eine Partitur eingerichtet habe, gibt es zwei schöne Ansichten: die "Seitenansicht", ein Drucklayout, und die "Fortlaufende Ansicht", ein lineares Layout, das mehr wie Cubase aussieht. In letzterer gebe ich alles ein, und wenn ich dann die Musik layouten möchte, arrangiert Dorico sie mit allen benötigten Notenzeilen und Seitenwechseln ganz von allein.

Nutzen alle Mitglieder des Ensembles Dorico?

Ja, auf dem Mac und auf dem iPad. An den Arrangements arbeite ich meistens allein. Obwohl man auch Audiodateien erzeugen kann, exportiere ich meistens PDFs, die die anderen Musiker dann auf ihren iPads anschauen können – wir verwenden sie auch bei Live-Auftritten. Dorico ist ein sehr intelligentes Programm; bei Sibelius oder Finale braucht man viele PlugIns oder muss umfangreiche Anpassungen vornehmen, damit das Material wirklich brauchbar ist. Dorico nimmt einem etliche dieser Zusatzarbeiten ab und macht alles so einfach und schön. Ich bin wirklich überzeugt davon, dass man anders spielt, wenn das Notenbild gut gesetzt und übersichtlich ist. Ich glaube, dass die Haltung, wie man spielt, und auch die Qualität des Spiels mit dem optischen Eindruck der Noten zusammenhängen – selbst unser früherer Chefdirigent Herbert von Karajan war davon überzeugt.

Tatsächlich nutzen sogar meine Kinder Dorico – ich habe drei Söhne, und sie sind total begeistert davon, es auf dem iPad zu verwenden. Sie schreiben Musik von Hand und auch über das Klavier-Keyboard. Es ist so intuitiv, dass selbst ein Neunjähriger damit arbeiten kann. Und das Ergebnis sieht einfach großartig aus – wenn alles richtig eingerichtet ist, muss man kaum noch etwas nachbearbeiten.

Gibt es eine bestimmte Funktion, auf die du nicht verzichten könntest?

Wenn man wie ich symphonische Orchestermusik schreibt oder Partituren mit Orchesterstimmen erstellt, ist die Art und Weise, wie Dorico mit Stichnoten umgeht, einfach fantastisch. Nehmen wir zum Beispiel einen Blechbläser, der 16 Takte Pause hat – der braucht einen guten Hinweis, um zu wissen, dass er in zwei Takten wieder einsetzen muss. Die Art, wie Dorico Stichnoten einfügt, ist so elegant, dass man sich regelrecht darauf freut, sie einzubauen. Ich könnte mir keine bessere Lösung dafür vorstellen.

Die Art, wie Dorico Stichnoten einfügt, ist so elegant, dass man sich regelrecht darauf freut, sie einzubauen. Ich könnte mir keine bessere Lösung dafür vorstellen.

Und ich glaube, der neue Noteneditor in Cubase basiert auf dem von Dorico – ich finde es großartig, dass eine Softwarefirma Notation so ernst nimmt. Nachdem ich so viele Stunden meines Lebens mit gedruckter Musik gearbeitet habe, kann ich guten Gewissens sagen: Das sind die Leute, die wirklich ästhetisch ansprechendes Notenmaterial schaffen wollen.

Verwendest du bestimmte VST-Instrumente in Dorico, um die einzelnen Stimmen anzuhören?

Dorico in Kombination mit NotePerformer ist wirklich der heilige Gral, um sicherzustellen, dass das, was man für ein Orchester schreibt, auch so funktioniert, wie es soll. Als Komponist gibt einem das eine gewisse Sicherheit, dass es so klingen wird, wie man es sich vorgestellt hat. Früher wurden Orchester für sogenannte Leseproben bezahlt, weil selbst große Namen – wie Gustav Mahler – oft erst im Proberaum wirklich wussten, wie ihre Kompositionen klingen. Aber heute haben wir diese großartigen Werkzeuge, auf die man sich verlassen kann.

Gibt es bald etwas Neues von Philharmonix, das du mit uns teilen möchtest?

Wir sind alle auch außerhalb des Ensembles sehr beschäftigt, aber wir machen ein paar Tourneen pro Jahr – wir waren bereits viel in Asien und Europa unterwegs und werden das auch weiterhin tun. Wir haben einige Alben bei der Deutschen Grammophon veröffentlicht, und das nächste erscheint in Kürze. Auch wenn wir das in unserer Freizeit machen, ist es ein wichtiger Teil unseres Lebens. Uns ist bewusst, dass wir privilegiert sind, unseren Lebensunterhalt mit klassischer Musik zu verdienen, und es ist großartig, neue Wege in Komposition und Aufführung zu erkunden. Dorico ist dabei für uns ein unverzichtbares Werkzeug.

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